Corbinian Ruckerbauer und Lilly Goll arbeiten für den Berliner Think Tank interface (ehemals Stiftung Neue Verantwortung). Im Programm Digitale Grundrechte, Überwachung und Demokratie beschäftigen sie sich mit der rechtsstaatlichen Kontrolle von Nachrichtendiensten. Im Rahmen einer Impulsreihe zur anstehenden Reform des Nachrichtendienstrechts, haben sie kürzlich ein Papier zur Nutzung von Big Data durch Geheimdienste erstellt.
Die Ampelkoalition will BKA und Bundespolizei zukünftig erlauben, Programme zur automatisierten Datenanalyse einzusetzen. Der wahrscheinlich bekannteste Anbieter für solche Software, die von Sicherheitsbehörden zur Auswertung großer Datenmengen genutzt wird, ist das US-Unternehmen Palantir. Mehrere Bundesländer nutzen Software dieses Unternehmens – für die Bundesebene soll Berichten zufolge eine andere Lösung bevorzugt werden.
Aber nicht nur Polizeibehörden nutzen in Deutschland solche Tools. Auch deutsche Nachrichtendienste setzen sie ein, um aus großen Datenmengen relevante Informationen herauszufiltern. Warum sie das tun, ist erst einmal einleuchtend: Ihre Arbeit kann dadurch effektiver werden, bisher verborgene Informationen über Gefährdungslagen sind im Zweifelsfall schneller sichtbar.
Doch der Einsatz hochpotenter Analysetools hat seinen Preis. Wer sie einsetzt, kann sensible Informationen zu Tage fördern, die tiefe Einblicke in die Privatsphäre von Menschen erlauben. Ein Grundsatz unseres demokratischen Rechtsstaats lautet: Solche schwerwiegenden Eingriffe in unsere Privatsphäre und in andere Grundrechte sind nur dann rechtens, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hierfür die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu schaffen.
Deutsche Nachrichtendienste arbeiten seit 2014 mit solchen Werkzeugen
Der Gesetzesentwurf über den Einsatz solcher Analysetools bei der Polizei ist umstritten. Kritische Stimmen bemängeln unter anderem die weit gefasste Befugnis, die viele Anwendungsfälle und immense Datensammlungen umfasst, die niedrigen Eingriffsschwellen, sowie die mangelhafte datenschutzrechtliche Kontrolle. So umstritten dieser Gesetzesentwurf ist: Er erkennt zumindest grundsätzlich an, dass solche schweren Grundrechtseingriffe eine gesetzliche Grundlage und bestimmte Sicherungsmaßnahmen benötigen.
Blickt man auf die Nachrichtendienste, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Der Gesetzgeber verschließt die Augen vor der Tatsache, dass die Anwendung solcher Analysetools tief in Grundrechte eingreift. Und das, obwohl deutsche Dienste schon mindestens seit 2014 mit solchen Werkzeugen arbeiten.
Im Jahr 2015 berichtete netzpolitik.org über interne Haushaltspläne des Bundesverfassungsschutzes. Demnach richtete der Dienst Referate ein, die diese Fähigkeiten aufbauen sollten. Beispielsweise sollte ermöglicht werden, anhand von Verkehrsdaten aus der Fernmeldeaufklärung detaillierte Kommunikations- und Beziehungsnetzwerke zu erstellen.
Verkehrsdaten ermöglichen Bewegungs-, Persönlichkeits-, und Verhaltensprofile
Solche Verkehrsdaten genießen einen deutlich geringeren rechtlichen Schutz als die Inhalte der erfassten Kommunikationsvorgänge. Sie enthalten aber mitunter genauso sensible Informationen – vor allem wenn die Behörden leistungsfähige Technologien einsetzen, mit denen sie aus großen Datenmengen neue personenbezogene Informationen generieren können.
Die Nachrichtendienste können solche Technologien nicht nur zum Erstellen von Kommunikations- und Beziehungsnetzwerken, sondern auch für andere Zwecke nutzen. Abhängig von den vorhandenen Daten können die Dienste beispielsweise auch Bewegungs-, Persönlichkeits- oder Verhaltensprofile erstellen. Auch könnten solche Anwendungen eingesetzt werden, um statistische Besonderheiten zu erkennen oder Prognosen über das Verhalten von Personen zu treffen.
Zur Veranschaulichung: Kaufen Nachrichtendienste große Mengen von Bewegungsdaten, wie sie von Datenhändlern angeboten werden, können Sie mit der geeigneten Software sensible Informationen daraus generieren. Welche Menschen hat die beobachtete Person getroffen, an welchen Demonstrationen nimmt sie teil und welche Ärzt:innen sucht sie auf. Betroffen sind meist nicht nur einzelne Personen. Wegen der großen Datenmengen, die moderne Analysetools bewältigen können, ist eine große Anzahl von Menschen berührt, deren Verhalten dazu keinerlei Anlass gegeben hat. Damit erhöht sich der Überwachungsdruck.
Potenzielle Einschüchterung
Das kann einschüchternd wirken – so sehr, dass Menschen möglicherweise davor zurückschrecken, ihre Freiheitsrechte wahrzunehmen. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Gefühl allgegenwärtig möglicher Überwachung sich negativ auf demokratische Prozesse und das Vertrauen der Bürger:innen in den Staat auswirkt.
Zudem wächst die Menge an verfügbaren Daten immer weiter, je mehr digitale Technologien in alle Lebensbereiche vordringen. Und die Nachrichtendienste erschließen neue Quellen zur Beschaffung großer Datenmengen.
Blackbox selbstlernende Algorithmen
So kaufen sie zum Beispiel Daten aus dem Werbemarkt oder erfassen systematisch öffentlich zugängliche Daten – ohne dass die gleichen Voraussetzungen gelten wie für traditionelle Erhebungsmethoden wie die Fernmeldeaufklärung. Außerdem steigt auch die Leistungsfähigkeit der Datenanalysetools und die verfügbare Rechenkraft.
Und noch etwas kommt beim Einsatz automatisierten Datenanalysetools hinzu: Je komplexer die Analyse, desto schwerer lässt sich nachvollziehen, was da eigentlich wie analysiert wurde. Das gilt insbesondere dann, wenn selbstlernende Algorithmen zum Einsatz kommen. Dieser Blackbox-Effekt erschwert die Kontrolle durch unabhängige Stellen und den Zugang zu effektivem Rechtsschutz gegen den missbräuchlichen Einsatz für die Betroffenen.
All diese Faktoren verschärfen die Grundrechtseingriffe, die mit dem Einsatz solcher Technologien verbunden sind. So sah es im vergangenen Jahr auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Einsatz von Big Data durch Landespolizeien. Damit der Einsatz dennoch mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sind zwei Dinge nötig: Zunächst einmal braucht es eine spezifische gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Darüber hinaus müssen Vorkehrungen getroffen werden, die sicherstellen, dass der Eingriff verhältnismäßig bleibt.
Es braucht eine verfassungskonforme rechtliche Grundlage
Dass die Nachrichtendienste danach streben, ihre Fähigkeiten zur Informationsbeschaffung immer weiter zu verbessern, ist nachvollziehbar. Es ist gewissermaßen Teil ihres Arbeitsauftrags. Doch auch dem Gesetzgeber kommt in diesem Zusammenhang ein Auftrag zu: Er muss den gesetzlichen Rahmen weiterentwickeln, um zu gewährleisten, dass die Arbeit der Nachrichtendienste mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Genau das ist der Gesetzgeber den Bürger:innen aber bisher schuldig geblieben. Das Recht hinkt der Realität des Einsatzes hinterher. Hier muss die Ampelkoalition deshalb dringend handeln: Sie sollte die anstehende Reform des Nachrichtendienstrechts nutzen und die Praxis der automatisierten Datenanalyse endlich auf eine verfassungskonforme rechtliche Grundlage stellen.
Bei einer sauberen Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei, die eigentlich nach der Erfahrungen mit Stasi und Gestapo gerade in Deutschland zwingend geboten wäre, wäre es prinzipiell schon ok, wenn Geheimdienste weitergehende Befugnisse hätten.
Der entscheidende Unterschied ist, dass Geheimdienste eigentlich im Vorfeld gegen Organisationen und Gruppen Informationen sammeln, um etwa Terroranschläge zu verhindern. Sie haben weder die Aufgabe noch das Recht, Individuen unter Druck zu setzen und mit Polizeimaßnahmen zu schikanieren. Hausdurchsuchungen etwa, Ausreiseverbote, Verhaftungen oder Anklagen wegen windiger Vorwürfe.
Die Polizei wiederum sollte sich darauf beschränken, Verbrechen auf zu klären. Und zwar mit rechtstaatlichen Mitteln, am Ende des Prozesses müßte zwingend eine Verurteilung durch ein ordentliches Gericht stehen, auf der Grundlage korrekt erhobener und bewerteter Beweise. Somit verbieten sich für die Polizei eigentlich heimliche Aktionen, egal ob abgehört, durchsucht oder verwanzt wird: hat ein Polizist heimlich eine Wohnung betreten oder sich Zugang zu einem Handy oder einem Computer verschafft, ist nicht mehr sichergestellt, dass mögliche „Beweise“ vom Beschuldigten stammen und nicht von der Polizei. Ebenso abwegig ist es, wenn eine Polizeibehörde wie das BKA illegale Datenbanken erstellt, mit denen dann etwa Journalisten kalt gestellt werden (wie beim G20-Gipfel in Hamburg damals).
„Zudem müsse die gesellschaftliche Debatte über diese Maßnahmen umfassender geführt werden: „Das Vorhaben betrifft den grundrechtsrelevanten Bereich der gesamten Bevölkerung und stärkt nicht gerade das Vertrauen in die Nutzung von Technologie und dem Internet.“
Quelle: https://www.eco.de/presse/ausweitung-der-kompetenzen-von-sicherheitsbehoerden-eco-fordert-praezise-schutzmassnahmen-und-gesellschaftliche-debatte/ .
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Das geht mir so wie Klaus Landefeld vom eco-Vorstand. Ich habe beim Nachhören der Debatte im Bundestag gestern zu viel Vorwürfe zwischen CDU und Ampel gehört, und viel zu wenig Reflektion darüber, wie man unsere Grundrechte zu schützen gedenkt (?).
Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, – die sich aber leider alle tatsächlich NICHT in den gestrigen Entwürfen finden (Beweislastumkehr bei geheimen Staatsaktionen, Segregation of Duties beim polizeilichen Datenspeichern – also Compliance, Datenschutzbeauftragte endlich mit EU-rechtlich ohnehin geforderten Befugnissen ggü. Sicherheitsbehörden, Archivpflicht der Geheimdienste, ECHTER Whistleblowerschutz für zukünftige Edward Snowdens, Umsetzung der Transparenz-Geheimschutzvorschläge von Dr. Robert Brockhaus – Fritz-Bauer-Preisträger, Journalisten-Schutz, mehr Rechte für Bürger-Polizei-Beauftragte, … ).
Die sagen einem halt einerseits „Zwing mich doch“ und plärren andererseits wie ein Kind an der Supermarktkasse, wenn sie nicht bekommen was ihnen angeblich zusteht.
(Zu den „Dingen, die ihnen zustehen“ zählt natürlich ausdrücklich NICHT die Anwendung von „Kinder, die was wollen, kriegen auf die Bollen“ mittels vorzeitiger Auflösung des Beamtenverhältnisses mit anschließender Zwangspensionierung.)
Man gebe einen Menschen Macht und sehe seinen wahren Charakter!! Gilt noch immer!
Für mich hat sich die weitestgehend egoistische, rassistische Menschheit erledigt!! Schon der ganze grüne Hype ist total verlogen!! Wer etwas gegen den Klimawandel tun will, muss den Kapitalismus abschaffen!!
Dieses massive nach unten treten hat auch mit Rechtsstaat NICHTS MEHR ZU TUN!! IN DEUTSCHLAND GILT AUCH ÜBELSTE KLASSENJUSTIZ. BIN SELBER OPFER EINER ÜBERGRIFFIGEN STAATSANWALTSCHAFT!! ERZWINGUNGSHAFT IST NAZIPROPAGANDA!! HAT MIT RECHTSSTAAT AUCH NICHTS ZU TUN.
DER WESTEN HAT FERTIG!! HIER LÜGEN DIE MEISTEN NUR NOCH!!
DIE MENSCHHEIT IST PRIMITIV UND WIRD SICH SELBER AUS REINER GIER ABSCHAFFEN!
> Wer etwas gegen den Klimawandel tun will, muss den Kapitalismus abschaffen!!
Wer etwas gegen den Klimawandel tun will, sollte – nein muss – sich jetzt und möglichst konsequent nicht mehr klimaschädlich verhalten. Jeder im Rahmen seiner legalen Möglichkeiten. Das bedeutet nicht lamentieren, sondern Verhaltensanpassung auf persönlicher Ebene.
Die Zeit, um auf die „Abschaffung des Kapitalismus“ zu warten (zu verschwenden), haben die Menschen nicht mehr.
Was den Text mit Großbuchstaben und Doppelausrufezeichen anbelangt hoffe ich, dass es sich dabei um lediglich um ein Problem mit der CAPS-LOCK Taste handelt. Versehe Deine Texte mit nachvollziehbaren Argumenten, Begründungen und Erklärungen. Pure Behauptungen reichen nicht, denn das wäre (günstigstenfalls) Bullshitting oder noch schlimmer.
Daten sind ein Werkzeug und eine Waffe. Ich ahne voraus, das wir uns bald in einer Welt wieder finden, in der sich die Frage nicht mehr stellt, ob man Daten sammeln soll oder nicht. Die Auswirkungen politischer Entscheidungen werden aufgrund von Komplexität immer schwerer beherrschbar. Kriminelle fragen nicht danach ob sie auch moderne Technologien einsetzen dürfen. Polizei und Geheimdienste haben auch ihre Berechtigung. Ohne Daten werden sie aber zunehmend impotent.
Auch Tools wie die Corona-Warn-App wären mit mehr personenbezogenen Daten erheblich wertvoller. Das Risiko kann man nicht leugnen, aber man muss es auch ins Verhältnis setzen zu seinem Nutzen.
Ein Gedanke, den man immer mitdenken muss. Der dual-use-Charakter von Daten sollte schnell(er) ins Bewusstsein der Menschen gelangen, damit sie ich wappnen können.
Kompromat waren Daten noch auf Papier, gebündelt zu Akten, sortiert in Schränken.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kompromat
Heute werden immer und überall Daten gesammelt und verarbeitet, ohne dass es weh tut oder überhaupt bemerkt wird. Aber die eigenen Daten können stets auch gegen einen selbst verwendet werden.
Es wäre zu Sparsamkeit und Geiz zu raten, wenn es um die eigenen Daten geht. Es könnte dabei hilfreich sein, wenn der Geldwert des eigenen Datensatzes stets bewusst ist. Niemand würde im Alltag freizügig und fröhlich Geldscheine aus dem Fenster werfen. Persönliche Datensätze können schon mal 20 oder 50 Dollar wert sein. So werden Tech-Konzerne groß und mächtig und DU immer kleiner und unbedeutender.